Ein Weihnachtsgruß von Bischof Brand
Liebe Mitglieder unserer ELKIN (DELK)!
Es weihnachtet sehr. In der Stadt war keine Herberge mehr. Das erleben viele Menschen. Etliche Millionen sind derzeit unterwegs - auf der Flucht vor Krieg und Gewalt, auf der Suche nach einem Ort, an dem man überleben kann, in dem Versuch die Kinder und sich selbst in Sicherheit zu bringen. Flüchtlinge und Migranten - und wir denken meist an Europa! Aber wir vergessen, dass die Flüchtlingslager in Afrika und im Nahen Osten sehr viel größer sind - überlaufen, chaotisch, mit einem ständigen Zustrom an traumatisierten Menschen, dauerhaft mit zu geringen Nahrungsmitteln versehen, Zelten von der UNO bereitgestellt. Sie bekommen nur nicht so viel Sendezeit wie die Migration nach Europa. Sie gehen in der allgemeinen Armut unter. Sie stehen nicht auf der Landkarte der Not. In Städten, Ländern, Kirchen, Gesellschaften - immer wieder gibt es keine Herberge.
Es bleibt nur noch der Stall, oder eben das Zelt. Immerhin ist das eine Z elt von eine r Straßenlampe erhellt. Strahl aus einer anderen Welt, denn diese Zeltwelt wird von der a n d e r e n W e l t ausgegrenzt mit einem markanten Zaun. Auch das scheint immer noch die Antwort zu sein, wenn man die Not nicht sehen will. Herr Trump hat nach Mexiko einen Zaun gebaut und wird ihn ab Januar weiterbauen. Ungarn hat einen Zaun gebaut, um die Flüchtenden draußen vor zu halten. Und die Palästinenser werden schon seit Jahrzehnten eingemauert, weggezäunt, ausgegrenzt - wen kann es eigentlich wundern, dass es immer wieder zu gewaltsamen Explosionen kommt?
In diese Welt der Ausgegrenzten malt Kelly Latimore sein "Tent City Nativity." Und die "heiligen drei Könige" malt er auch. Der eine macht ein Feuerchen, damit dem Kind warm wird. Ein weiterer bringt eine Decke, damit das Kind eingehüllt werden kann. Der dritte bringt ein paar Tassen Kaffee - "boeretroos" wie dieses Getränk so treffend im Afrikaansen heißt. Das neugeborene Kind, über dessen Zelt der größte Stern zu sehen ist, wird aufgenommen bei denen "draußen vor der Tür", wie es der Dichter Borchert beschreibt. Eine Gemeinschaft derer, die nicht gesehen werden sollen, die nicht ins Establishment passen, denen vieles zum Leben fehlt, mit dem Rücken zu der Stadt der Lichter und Hochhäuser. Wieder und wieder habe ich es erlebt, mit eigenen Augen gesehen, wie ausgerechnet die Habenichtse das Wenige, das sie haben, mit denen, die noch ärmer sind, teilen - selbstlos und selbstverständlich teilen. Oft war ich beschämt, weil sie etwas können, was mir selbst so schwer fällt.
Und was Borchert beschreibt, haben die Evangelien schon vor langer Zeit berichtet. Dass es keine Herberge gab für Maria, Josef und das erwartete Kind. Dass die Eltern mit Kind verfolgt und in die Flucht geschlagen wurden. Dass sie in Ägypten irgendwie ihr Leben fristen mussten als ungeliebte Ausländer, Flüchtlinge, Migranten. Dass Jesus von sich sagt, dass er kein Plätzchen habe, um auszuschlafen. Dass Jesus - und das Hebräerbuch betont diese Tatsache sehr - außerhalb der Stadt gekreuzigt wurde, festgenagelt, sodass er die Füße nicht mehr auf die Erde bekam und seine Hände nur noch ins Leere griffen.
Es ist zumindest theologisch nicht zufällig, dass viele Christen just in der Weihnachtszeit der Armen und Verlassenen gedenken. Sie sammeln Gaben und verteilen diese in Armutsvierteln. Sie unterstützen "shoe box" in dem Wissen, dass Kinder lebensnotwendige Dinge bekommen, aber auch etwas Süßes und Schönes. Die Dankesgaben vieler Gottesdienste gehen an die Zeltgemeinschaften unser Gesellschaft. Ich wünsche mir für diese Weihnachtszeit, dass wir diejenigen hinter dem Zaun mehr in den Blick bekommen. Denn in ihre Welt hinein wurde der Christus geboren. Ich wünsche mir, dass wir geben so wie wir können und wie es für andere nötig ist. So sah Gottes Geschenk an uns aus. Wir brauchen den Christus in unserer verlorenen und kaputten Welt. Christ, der Retter ist da - Gott sei Dank. Ich wünsche mir, dass wir das Vorurteil aufgeben, dass die Mauern und Zäune immer ganz weit weg sind. Es gibt Menschen in unseren Nachbarschaften, in unserer Gemeinden, in unserem Alltag, die auch "draußen vor der Tür" sind, keinen Anschluss finden, in dieser Festzeit alleine sein werden, traurig und verlassen, bekümmert und voller Angst. Auch - und gerade bei ihnen - will Christus einkehren. In ihre Armut hinein will er geboren werden - Christ der Retter ist da, Gott sei Dank.
Gleichzeit will ich allen in unserer Kirche danken, die ein diakonisch Herz haben. Sie geben Zeit und Gaben und Fantasie und Energie, damit andere gesehen werden und leben können. Ich danke allen, die Suppenküchen in der einen oder anderen Weise unterstützt haben, die Kleider verteilt haben, sich um Kranke gesorgt haben, ihre Stimme gegeben haben denen ohne Stimme und Einfluss. In einem berühmten Gleichnis in Matthäus 25 hebt Jesus hervor, dass alles, was wir den geringsten Brüdern und Schwestern getan haben, wir ihm getan haben. Auch das ist echt weihnachtlich. Ja, es weihnachtet sehr.
Das kommende Jahr steht für unsere Kirche im Zeichen des Umbruchs. Das sollte uns nicht verängstigen oder beunruhigen. Umbrüche bringen mit sich neue Möglichkeiten, und ich hoffe sogar Aufbrüche. Umbrüche sind Chancen, Neues zu denken, Veraltetes aufzugeben, sich neu auszurichten auf den Herrn unserer Kirche: Jesus Christus! Umbrüche öffnen den Horizont.
Im vergangenen Jahr mussten wir uns nach Brunotte und Schiele von 2 weiteren Pastoren verabschieden - Schmid und Tietz. Wir sind dankbar für alles Gutes, das sie in unserer Kirche getan haben. Ein dritter - meine Wenigkeit - tritt Ende Dezember in den Ruhestand. Frank Schütte ist bereits innerlich und bald auch physisch mit Frau und 3 Kindern unterwegs nach Namibia. Im März wird es in Windhoek eine Pfarrerwahl geben, die es uns ermöglicht - mit einem großen Dank an die EKD! - 2 Pfarrstellen zu besetzen, denn im August kehrt das Ehepaar Graf mit ihren beiden Kindern heim nach Deutschland.
Klar, mit soviel Wechsel leidet die Kontinuität. Er wird auch an der nötigen Einarbeitung durch Vorgänger fehlen. Aber ihr seid ja alle da! Es liegt an euch, diese Kontinuität zu gewährleisten. Ihr kennt euch aus. Ihr gehört zu unserer Kirche. Ihr habt lange Erfahrung. Bringt eure Hoffnungen zum Ausdruck. Bringt euch selbst mit ein. Übernehmt ein Ehrenamt. Bahnt den Neuen den Weg. Nehmt sie an die Hand und tragt sie im Gebet. Es liegt an euch - in der Tat! Und zwar im Doppelsinne dieses Wortes.
Die Kirchenleitung tagte am 2. Dezember das letzte Mal in diesem Jahr. Ihr dürft auf eure Kirchenleitung stolz sein. Bis auf die 2 Pastoren in der Kirchenleitung arbeiten alle anderen ehrenamtlich mit. Ich bin immer wieder schwer beeindruckt von dem Sachverstand, dem gespendeten Zeitaufwand, der Nachdenklichkeit, den geistlichen Impulsen und dem kritischen Hinterfragen und Neudenken. Eure Kirchenleitung macht es sich nicht einfach - sie trägt bewusst Verantwortung, übernimmt viele Aufgaben, setzt sich mächtig ein. Ich danke allen Mitgliedern unserer Kirchenleitung - und ihre Mitglieder wären sicher nicht traurig, wenn auch der eine oder andere von euch mal ein Danke sagt. Verdient haben es sie allemal.
Und nun bleibt miteinander unserem guten Gott befohlen
Ihr Bischof Burgert Brand